Minh Mang

Die Kaiserstadt Hue

15.11.2023
Backpacking

Von Hanoi nach Hue reisen wir per Nachtzug. Die Tickets dafür haben wir schon ein paar Tage vorher bei ODC Travel gekauft. Am Bahnhof angekommen stellt sich heraus, dass es auch kein langes Rumgesuche geben wird. Obwohl Hanoi an die 8 Mio. Einwohner hat, besitzt der Bahnhof lediglich 2 Gleise, die auch nicht einmal unterirdisch miteinander verbunden sind. Die Zahl der abfahrenden Züge ist ebenfalls überschaubar. Wir glauben, dass da ein ganzer Tag auf einer Anzeigetafel Platz findet. 

Unser Schlafabteil teilen wir mit 2 anderen Reisenden. Wir machen es uns auf den oberen Betten bequem und unterhalten uns noch ein wenig. Unsere Mitreisenden sind ganz ruhig und lesen. Nach einiger Zeit erledigen sie die Abendtoilette indem sie sich die Hände mit Desinfektionsmittel reinigen. Sie bieten uns auch was davon an und wir verstehen das als subtiles Zeichen, dass jetzt Licht aus ist. Das Schaukeln des Zugs ist auch wirklich ziemlich einschläfernd, so dass wir bald entschlummern. Als wir morgens aufwachen sind wir noch lange nicht da. Der Zug ist nicht pünktlich, wie wir das gewohnt sind, sondern hat über Nacht fast 2 Stunden Verspätung aufgerissen. Wir schauen uns vom Gang aus die sattgrüne Landschaft an, die gemächlich am Fenster vorbeizieht und kommen dann am Vormittag in Hue an.

Wir machen uns auf zu unserem Hotel, dem Holiday Hotel Hue. Obwohl es noch nicht mal Mittag ist, können wir bereits einchecken und bekommen sogar noch ein Frühstück serviert, das wir ja eigentlich gar nicht bezahlt haben. Der Service ist schon mal klasse. Und auch sonst sind wir mehr als zufrieden. Das Hotel kostet 12€ die Nacht und ist tadellos in Ordnung. 

Nachdem wir uns eingerichtet haben, leihen wir uns vom Hotel 2 Fahrräder und machen uns auf Richtung Thien Mu-Pagode. Diese liegt am Ufer des Parfüm-Flusses etwa 5 Kilometer außerhalb des Zentrums. Leider regnet es. Erst normal und dann wird daraus ein ganz feiner Nieselregen, bei dem man eigentlich gar nicht nass wird, da der Fahrtwind die Nässe schneller abtrocknet, als sie entsteht. Unweigerlich fällt uns da dieses Zitat aus Forrest Gump ein: 

"Und auf einmal fing es an zu regnen. Es regnete tagsüber und auch nachts. Mal war der Regen warm, mal kalt, mal regnete es viele kleine Tropfen, danach gab es langen Regen. Der Regen kam von links, er kam von oben, mal kam er auch von rechts und manchmal... ja, manchmal kam der Regen sogar von unten."

Die Pagode ist ein buddhistisches Kloster und wurde 1601 von Nguyen Hoang errichtet, der bereits ein Jahr zuvor Hue zur Hauptstadt seines Südreichs machte. Ihr siebenstöckiger Turm ist der höchste in Vietnam.

Nachem wir uns das nett angelegte Areal ausgiebig angesehen haben, fahren wir mit unseren Drahteseln noch zur Zitadelle von Hue. Sie war einst die Residenz der Kaiser der Nguyen-Dynastie und ist der Verbotenen Stadt in Peking nachempfunden. An und für sich ist auch diese Anlage sicher sehr ansprechend, aber leider kommt der Regen mittlerweile wieder in dickeren und dicht aufeinanderfolgenden Tropfen, wobei man doch ziemlich nass wird. Wir halten unseren Besuch daher kurz und radeln dann schnell zum Hotel zurück, um uns aufzuwärmen. Die Servicequalität dort ist immer noch außerordentlich, wir bekommen in der Lobby proaktiv warmen Tee gereicht. Das nennt man Gastfreundschaft! Einziges Manko in der Unterkunft ist, dass es keine Heizung gibt. Wahrscheinlich ist das 360 Tage im Jahr auch nicht notwendig, aber heute ist einer von restlichen 5. Wir lassen alternative eine Wanne mit heißem Wasser ein und verkriechen uns eine Zeitlang unter der Bettdecke, bevor wir zum Abendessen wieder rausgehen. Das ist auch diesmal wieder eine Offenbarung. Wir gehen in ein kleines Gartenrestaurant und essen mehrere Gerichte, darunter Rindfleisch in irgendeine Art von Blatt (tropical leaves) gerollt. Es ist unfassbar gut. Zum Dessert gehen wir noch in eine "Garagen-Garküche" und essen dort kleine Crêpes mit Shrimps-Füllung. 

Am nächsten Tag wollen wir uns dann die Kaisergräber ansehen, für die Hue in erster Linie bekannt ist. Da es wieder recht trüb ist und Regen vorprogrammiert zu sein scheint, überlegen wir, wie wir das am besten machen. Mit den Rädern ist es vor allem bei der Witterung zu weit und ein Moped trauen wir uns (noch nicht) auszuleihen. Wir fragen einfach mal bei der Rezeption des Hotels mit dem sowieso schon besten Service der Welt. Die nette Dame schlägt vor, dass wir eine private Drachenboot-Mopedtaxi-Tour für lediglich 30 Dollar machen könnten. Das hört sich super an und sie fragt uns, wann wir denn starten wollen würden. "Jetzt", sagen wir etwas zögerlich, aber auch das ist überhaupt kein Problem. Es wird kurz telefoniert, wir bekommen noch einen Tee serviert und in 10 Minuten kommt ein älteres, vietnamesisches Ehepaar in die Lobby, das uns einfach mitnimmt. 

Am Ufer das Parfüm-Flusses liegt ihr Drachenboot und mit diesem schippern wir ca. 1,5 Stunden den Fluss entlang. Wir können uns mit den beiden nicht verständigen, aber sie wissen anscheinend wo es hingehen soll. Auch Getränke haben sie mit und so kaufen wir ihnen 2 lokale Biere ab. Irgendwo halten wir dann an einer Böschung, wo wir aussteigen und bereits von 2 Männern erwartet werden, die uns jetzt mit dem Moped weiterfahren werden. Sie geben uns zur Sicherheit noch Regenpellerinen, die wir dankend annehmen, wir steigen auf und dann geht es auch schon los. Mit einem Affenzahn fetzen wir auf den Mopeds über maximal 1 Meter breite Feldwege durch die sattgrüne, vietnamesische Landschaft, entlang wunderschöner Flüsse und sogar mitten durch Bauernhöfe, so dass links und recht die Hühner panisch wegflattern. Wir fühlen uns wie bei einer wilden Verfolgungsjagd in einem James-Bond-Film, es ist einfach toll!

Das erste Grab, das wir besuchen, ist jenes, das am weitesten von Hue entfernt ist. Kaiser Minh Mang - der zweite Kaiser der Nguyen-Dynastie - liegt hier begraben. Die Anlage besticht durch ihre klare Geometrie, die sich wunderschön in die umgebende Natur einbettet. Die teils noch zu Lebzeiten Minh Mangs errichteten Bauwerke liegen harmonisch zwischen künstlich angelegten Teichen und aufwändig bepflanzten Grünanlagen. Außerdem sind gerade nur sehr wenige Besucher anwesend, was zur Ruhe, die der Ort ausstrahlt, noch zusätzlich beiträgt. 

Als nächstes steht das Grab Khai Dinhs auf dem Programm. Der Kaiser regierte bereits im 20. Jahrhundert, genauer gesagt von 1916-1925. Auf jeden Fall ist der vietnamesische Einschlag in der Baukunst bei diesem Grab weit weniger ausgeprägt und es finden sich viele Elemente der Kolonialarchitektur wieder. Auch die Baumaterialien sind weniger traditionell, teils könnte man sie auch unkonventionell nennen. Die Grundstruktur der Anlage ist eine Betonkonstruktion und einige Bauteile wurden wie es den Anschein hat, mit Glasmosaiken verziert. Bei genauerer Betrachtung stellt man aber fest, dass das unter anderem Scherben von (zumindest vietnamesischen) Bierflaschen sind. Ob das eine Anspielung auf die Geselligkeit und Volksnähe Khai Dinhs sein soll, konnte hingegen nicht festgestellt werden. 

Zu guter Letzt besuchen wir das Grabmal Tu Ducs, das so nah an Hue liegt, dass man es eventuell auch mit dem Fahrrad erreichen könnte. Der vierte Kaiser der Nguyen-Dynastie wird oft als letzter Kaiser bezeichnet, da er der letzte war, der regieren konnte, ohne die Franzosen als Kolonialmacht im Nacken sitzen zu haben. Die Anlage ist - im Gegensatz zum Grab Khai Dinhs - wieder viel weitläufiger und liegt an einem See inmitten eines schönen Pinienwalds. Da hat sich der in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts regierende Kaiser, der zumindest 35 Jahre im Amt war, ein schönes Plätzchen ausgesucht. Dies im wahrsten Sinne des Wortes, denn auch diese Anlage wurde bereits zu seinen Lebzeiten errichtet und sogar als Palast genutzt. Das extrem aufwändige Bauvorhaben beschäftigte Unmengen an Zwangsarbeitern, die aufgrund der extrem schlechten Arbeitsbedingungen sogar den Aufstand probten.  

Uns hat eigentlich das Minh-Mang-Grab am besten gefallen und wir sind froh, dass es die ganze Zeit nicht geregnet hat, so dass wir alle 3 Gräber in Ruhe besichtigen konnten. Im Anschluss bringen uns die Moped-Fahrer wieder zum Fluss zurück, wo unser Drachenboot auf uns gewartet hat, um uns nach Hue zurückzuschippern. Wir trinken nochmal ein Bier auf der Fahrt und freuen uns, dass das so ein lustiger und abenteuerlicher Ausflug war. 

In Hue angekommen klappern wir noch ein paar Garküchen ab auf der Suche nach weiteren kulinarischen Offenbarungen. Unser Reiseführer ist da wirklich extrem hilfreich, da der Autor sich anscheinend selbst überall durchgeschlemmt und seine Erlebnisse nachher sehr detailreich beschrieben hat. Darum auch in jedem Fall eine Empfehlung für den Reiseführer.

Tipp: Reise Know How Vietnam

Am nächsten Tag setzen wir die Reise gen Süden fort. Wir wollten eigentlich über den Wolkenpass nach Hoi An fahren, aber da der Berg, über den der Pass führt, mittlerweile untertunnelt ist, gibt es da kaum noch Angebote dafür. Notgedrungen fahren wir also mit dem Open Tour Bus auch durch den Tunnel. An der Südseite machen wir einen Mittagsstopp im Strandort Lang Co. Man kann sich gut vorstellen, warum der Wolkenpass seinen Namen trägt.