Mura di Pisa

Lucca & Pisa

16.07.2023
Roadtrip

Die erste tatsächlich in der Toskana liegende Station unserer Toskana-Reise ist Lucca, die Hauptstadt der gleichnamigen Provinz. Sie liegt nur etwa 20 Kilometer von der Küste entfernt und war im 13. und 14. Jahrhundert eine der einflussreichsten Städte Europas, wovon unter anderem die auch heute noch vollständig erhaltene Stadtmauer samt ihrer vielen Befestigungsanlagen zeugt. Unweit des San Paolino Bollwerks stellen wir unser Auto ab und auf geht's!

Das Straßennetz der Stadt ist überwiegend rechtwinkelig aufgebaut und daher sehr übersichtlich. Wir laufen über den Corso Garibaldi und die Piazza del Giglio Richtung Piazza San Martino, von der aus man den Duomo di San Martino - die Kathedrale von Lucca - betritt. Auffallend im Stadtbild ist, dass in Lucca viele Häuser gelb verputzt sind, wohingegen die Farben rot und orange bzw. Natursteinfassaden kaum vorkommen. Wir konnten keinen Grund eruieren, warum das so ist, werden Lucca aber wohl auch als die "gelbe Stadt" in Erinnerung behalten.

 

Die viereckige Piazza San Michele liegt im Zentrum Luccas, wo in römischer Zeit das Forum zu finden war. In die nordöstliche Ecke des Platzes regelrecht eingepasst wurde die Kirche San Michele in Foro aus dem 12. Jahrhundert. Durch diese spezielle Anordnung besitzt sie nur 2 Fassaden, die sich dem öffentlichen Platz zuwenden. Die beiden und der Glockenturm sind dann auch reich dekoriert, wohingegen die Gestaltung der übrigen Fassaden wohl auf der Einsparungsliste gelandet sind. So kann man natürlich auch was sparen.

Im Inneren der Kirche sind die mittelalterlichen Strukturen weitgehend verloren gegangen. Übrig geblieben ist eine recht schlichte Basilika mit 2 bedeutenden "Einrichtungsgegenständen". Auf dem Hochaltar befindet sich ein gemaltes Kreuz, das tatsächlich ein Relikt aus dem Mittelalter ist. Darunter liegen wenig appetitlich hinter Glas die sterblichen Überreste eines 1159 heiliggesprochenen armenischen Pilgers. 

Der Torre Guinigi ist einer der wenigen Geschlechtertürme Luccas. Sein Markenzeichen ist eine kleine Gruppe von Steineichen, die auf seinem Dach prächtig gedeihen und ihn irgendwie "lebendig" aussehen lassen. Über 230 Stufen lässt sich außerdem eine auf etwa 45 Meter über dem Straßenniveau liegende Aussichtsplattform erklimmen. Das reicht auf jeden Fall aus, um einen tollen Blick auf Lucca und die umliegenden Berge, die zu den Apuanischen Alpen bzw. zum Apennin zählen, zu bekommen. Den Torre Guinigi sollte man sich in Lucca auf keinen Fall entgehen lassen.

Das eigentliche Wahrzeichen Luccas ist aber wohl die Piazza dell’Anfiteatro. Seine elliptische Form fällt in der ansonsten überwiegend schachbrettartige organisierten Stadt auf, hat aber einen ganz nachvollziehbaren Grund. Die etwa 3000 m² große Fläche deckt sich nämlich mit dem Areal eines antiken Amphitheaters, das im 1. oder 2. Jahrhundert an dieser Stelle errichtet wurde. Die antiken Strukturen sind an den Außenmauern der Piazza teilweise noch heute zu erkennen. Im Mittelalter wurde das Areal vielfältig genutzt, verfiel aber im Laufe der Zeit. Sein heutiges Aussehen erhielt der Platz durch eine großangelegte Umgestaltung in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Wir finden ihn auf jeden Fall überaus gelungen. Die in den Erdgeschoßen vorhandenen Lokale halten sich einigermaßen zurück, so dass die besondere Struktur des Platzes fühlbar bleibt. Wirklich ein wunderschöner Ort!

 

Von Lucca bis Pisa ist es nicht weit. Nach knapp einer halben Stunde Fahrt erreichen wir bereits die weltbekannte Stadt, in der es erwartungsgemäß nicht so beschaulich zu geht wie in Lucca. Da wir aber früh dran sind, bekommen wir problemlos einen Parkplatz in der Nähe der Piazza del Duomo, auch genannt Piazza dei Miracoli (Platz der Wunder). Noch ein kurzes Stück den Kinderwagen geschoben und schon sind wir dort wo wohl eines der ikonographischsten Wahrzeichen der Welt zu finden ist - der schiefe Turm von Pisa.

Dabei gäbe es noch eine Reihe anderer Gründe, warum die Stadt unweit der Mündung des Arno ins Ligurische Meer einen derartigen Bekanntheitsgrad erreichen hätte können. Hier fand 1409 das Konzil von Pisa statt, das ungewollterweise dazu führte, dass es fortan 3 Päpste in 3 verschiedenen Städten - in Rom, Avignon und Pisa - gab. Außerdem nennen Galileo Galilei und Fibonacci die Stadt ihre Heimat.

Genau genommen besteht der Ort, den wir nun pflichtbewusst besuchen, nicht nur aus dem schiefen Turm. Er ist nur ein Teil eines Gebäudeensembles, das aus dem Dom Santa Maria Assunta, dem Baptisterium und dem Friedhof Camposanto Monumentale besteht. Der schiefe Turm ist dabei "nur" der freistehende Glockenturm des Doms. Die Bauzeit für das Ensemble betrug gut und gerne etwa 200 Jahre, die wesentlichsten Teile der Anlage wurden im 12. und 13. Jahrhundert errichtet. Obwohl sich der Bau lange hinzog und immer wieder unterbrochen werden musste, besitzt er durch die konsequente Verwendung von Carrara-Marmor als Baumaterial und aufgrund der einheitlichen Fassadengestaltung ein überzeugend zusammengehöriges Erscheinungsbild. Der Dom galt jahrhundertelang als monumentalster Bau der christlichen Geschichte. Das Baptisterium ist bis heute die größte christliche Taufkirche der Welt - und wird es wahrscheinlich auch bleiben.

Der Grund, warum sich der schiefe Turm nun dramatisch auf eine Seite neigt ist der, dass der Untergrund aus lehmigem Morast und Sand keine ausreichende Tragfähigkeit für das Bauwerk besitzt und unter seiner Last nachgibt. Ein Bodengutachten wäre hier auf jeden Fall angeraten gewesen. Soweit die Theorie. Steht man dem berühmtesten aller Bauschäden Auge in Auge gegenüber schießt einem ein simpler Gedanke à la "Wow, der ist ja echt schief" durch den Kopf. Das mag zwar nicht sonderlich originell sein, aber besser kann man es einfach nicht sagen. Inzwischen ist die Besteigung des Turms ohnehin verboten, aber bei dem Neigungsgrad hätten wir auf jeden Fall gepasst. 

Den Dom Santa Maria Assunta besichtigen wir als einziges Gebäude auch von innen. Nachdem es im 16. Jahrhundert einen größeren Brand gab, ist hier vieles nicht mehr original, was aber einer latenten Prunksucht keinen Abbruch tut. Die sechseckige Kanzel ist ein Werk Giovanni Pisanos, der auch als Dombaumeister in Siena tätig war.

Wie in vielen anderen italienischen Städten, ist auch in Pisa die Stadtmauer - in diesem Fall aus der Zeit der Republik Pisa - fast vollständig erhalten. Sie schließt das Areal der Piazza dei Miracoli im Norden und Westen ab. Es besteht die Möglichkeit, die Mauer im Bereich zwischen dem Torre di Santa Maria und der Porta Nuova zu begehen. Das ist zwar kein sonderlich langes Stück, aber der Ausblick auf den Dom mit Turm, das Baptisterium und den Friedhof Camposanto Monumentale ist hervorragend. Von hier oben eröffnet sich eine ganz neue Perspektive und auch den Menschenmassen kann man hier entfliehen. So lohnt sich der Aufstieg in jedem Fall und hat auch eine Auszeichnung verdient.

Tipp: Top-Spot