Siena & Chianti
Unsere Unterkunft in Sovicille ist nicht weit von Siena entfernt, so dass wir heute nur eine ganz kurze Fahrt haben, bis wir unser Auto im Parcheggio Santa Catarina – einer wirklich sehr komfortablen Parkgarage – abstellen. Wie anscheinend jede toskanische Stadt liegt auch Siena auf einem Hügel, so dass wir beim Kinderwagenschieben gleich mal ins Schwitzen kommen. Daran führt wohl kein Weg vorbei, unserer tut es aber an der Basilica di San Domenico, einigen witzigen Wandbildern und den für Italien typischen, öffentlich affichierten Todesanzeigen.
Nach einem kurzen aber steilen Anstieg erreichen wir dann schon jenen Platz, für den Siena weltberühmt ist. Auf der halbrunden, mit Terrakotta gepflasterten Piazza del Campo findet zweimal im Jahr ein Pferderennen – der Palio die Siena – statt, das zu den härtesten der Welt zählen soll. Wenn man sich den Platz so ansieht, fällt einem das nicht schwer zu glauben. Erstens ist er nicht unendlich groß und zweitens besitzt er ein beträchtliches Gefälle auf einen Punkt hin, so dass er wie die Innenseite einer Muschel wirkt und auch so aussieht. Der für das Rennen angelegte Rundkurs ist dann auch nur ca. 300 Meter lang und mit 7,5 Metern Breite ziemlich schmal. Auf diesem matchen sich Vertreter von 10 der 17 Stadtteile Sienas, die in ca. 100 Sekunden 3 Mal mit ihren Pferden um den Platz fetzen.
Interessant ist, dass der Platz – für Italien eigentlich ein Sakrileg – ganz ohne Kirch auskommt, sondern eine rein politische Funktion besitzt. An der tiefsten Stelle der Piazza befindet sich das Rathaus – der Palazzo Pubblico – mit seinem extrem hohen, alles überragenden Turm.
Ebenfalls auf dem Platz zu finden ist der Fonte Gaia (Brunnen der Freude), der so heißt, da er den Endpunkt einer Wasserleitung darstellt, die Siena erst seit 1342 mit dem kostbaren Gut versorgt. Wassermangel war zuvor ein ständig präsentes Problem, das der Stadt schwer zu schaffen machte.
Hinter der Häuserzeile, die die Piazza del Campo westseitig flankiert sieht man bereits ein weiteres Wahrzeichen Sienas hoch aufragen - den unverkennbar gestreiften Turm der Kathedrale. Die vor der Kirche liegend Piazza del Duomo begeistert uns nicht über die Maßen, da es hier einfach zu trubelig ist. Der Platz ist zu klein, als dass sich die Menschenmassen verlaufen könnten und an der nordöstliche Ecke des Platzes macht sich doch tatsächlich ein sehr unansehnlicher Parkplatz breit. Städtebaulich nicht so überzeugend also, aber die Kathedrale für sich sieht schon toll aus. Der unverkennbar mit schwarzem und weißem Marmor verblendete Bau entstand aus einer romanischen Basilika und ist bis heute eines der bedeutendsten Beispiele gotischer Architektur in Italien. Der Detailreichtum der Hauptfassade sowie ihre sagen wir mal gewagte Farbgebung suchen auf jeden Fall ihresgleichen.
Für den Innenraum der Kathedrale müsst man ein Ticket lösen, was wir in Anbetracht der vielen Besucher nicht wollen, und so suchen wir dann bald das Weite. Wir marschieren von der Piazza del Duomo ein Stück den Hügel hinab Richtung Piazza del Mercaot und bereits auf dem Weg dorthin wird es merklich ruhiger und menschenleerer, was eine echte Wohltat ist.
Unser Ziel ist ein Aussichtspunkt, der sich in einer Parkanlage oberhalb der Via di Fontanella befindet soll. Der Park ist irgendwie auch das Dach einer Parkgarage und tatsächlich sieht man von hier oben wunderbar auf sie "Süd-Skyline" Sienas - vom Rathausturm auf der linken Seite bis zur Basilica di San Clemente in Santa Maria dei Servi auf der rechten Seite. Ein tolles, noch nicht so oft fotografiertes Panorama der Stadt und wir sind sogar ganz alleine hier.
Abgesehen vom Historischen wartet Siena noch mit einer neueren - im weitesten Sinne kulturellen - Besonderheit auf. Die Konditorei Nannini in der Via Banchi di Sopra ist ein Traditionsbetrieb mit Kultstatus, was nicht weiter verwunderlich ist, da sie von niemand geringerem als dem Bruder der von Iris hochgeschätzten Sängerin Gianna Nannini betrieben wird. Da ist es natürlich vollkommen klar, wo wir uns den nächsten Cappuccino genehmigen. Der schmeckt auch ganz hervorragend und es gibt auch hauseigenen Kaffee zu kaufen sowie allerhand wirklich lecker aussehende Süßspeisen. Nur die Huldigung von Gianna kommt viel zu kurz. Es wird keins ihrer Lieder gespielt und noch nicht einmal Bilder oder Autogrammkarten an den Wänden gibt es. So gesehen ein sprichwörtlicher Insider-Tipp!
Wie laufen dann auch noch den Nordteil der Stadt ab. An der Piazza Salimbeni und der Piazza Giacomo Matteotti vorbei geht es Richtung Giardini da Lizza. Das ist eine recht schöne Parkanlage, die die beeindruckend befestigte Burg Fortezza Medicae umgibt. Die Burg sehen wir uns nicht näher an, aber vom Fuße der Befestigungsmauer, wo die Viale XXV Aprile eine Biegung macht und in die Viale Vittorio Veneto übergeht, gibt es einen wirklich empfehlenswerten Aussichtspunkt. Man bekommt hier den Postkartenblick auf Siena präsentiert und es wird ersichtlich, dass die Kathedrale imposant auf den höchsten Punkt der sich an einem Hügel hochziehenden Stadt gesetzt wurde.
Tipp: Postkartenmotiv
Was uns an Siena auffällt, obwohl es natürlich auf jede toskanische Stadt zutrifft, ist die Tatsache, dass an der historischen Bebauung keine oder nur sehr wenige moderne Anbauten zu finden sind. Satellitenschüsseln und Solarpaneele sucht man hier vergebens, und so bekommt man doch einen relativ unverfälschten Eindruck, wie die Stadt im Mittelalter ausgesehen haben mag. Schade, dass sich der Denkmalschutz bei uns nicht annähernd so gut durchsetzen kann.
Nachdem wir Siena und seine Umgebung für unsere Begriffe ausreichend erforsch haben, geht es wieder nordwärts Richtung Florenz, was die letzte Station unserer Toskana-Reise sein wird. Zwischen den beiden Städten breitet sich ein wohlbekannte Hügelkette namens Chianti aus, wo natürlich der gleichnamige Wein produziert wird. Klarerweise nehmen wir den Umweg durch das Gebiet, das auch landschaftlich sehr schön sein soll.
Im Herzen der Region Chianti liegt die kleine Gemeinde Radda in Chianti, welche wohl schon um 2000 v.Chr. besiedelt wurde. Das Örtchen ist herzallerliebst, liegt auf einem Hügel und bietet somit von der die Stadt umgebenden Promenade einen wunderbaren Blick auf die umliegenden Weinanbaugebiete. Die Südsteiermark wird nicht umsonst als die österreichische Toskana bezeichnet, sie ähnelt dieser Region landschaftlich wirklich sehr. Das Beste an Radda in Chianti ist die Tatsache, dass es hier ein Weinfest gibt - eine Art frühsommerliches Martini-Loben - wo man sich ein Glas kauft und sich danach von Stand zu Stand durchkostet. Das Schlechteste an Radda ist, dass wir mit dem Auto hier sind und außerdem ein 6 Monate altes Baby mithaben. Beide sind gar nicht weinfest-kompatibel, so dass wir die Veranstaltung schweren Herzens sausen lassen. Das nächste Mal aber bestimmt!
Einen letzten Halt machen wir in Greve in Chianti. Die dreieckige Piazza Matteotti mit ihren Arkadengängen an den Rändern ist recht nett und wir trinken hier auch ein Gläschen, aber so viel Charme wir Radda in Chianti versprüht das Städtchen nicht. Es kann also bald nach Florenz weitergehen.