Reykjavík und die Reykjanes Halbinsel
Nachdem wir den zum Island-Pflichtprogramm gehörenden Golden Circle abgefahren sind, überlegen wir, die Kaldidalur - eine der 3 isländischen Hochlandrouten - in Angriff zu nehmen. Irgendwie ist uns das Wetter dafür aber nicht gut genug, so dass wir beschließen, lieber nach Reykjavík zu fahren.
Wir finden einen Parkplatz direkt bei der Hallgrímskirkja - was ja schon mal nicht schlecht ist - und besichtigen somit als erstes das Wahrzeichen Reykjavíks. Also die Kirche, nicht den Parkplatz.
Von außen besticht das Gebäude durch seine markante, etwas eigenwillige Silhouette. Die Betonpfeiler an der Fassade sind eine Reminiszenz an die in Island häufig vorkommenden, vulkanisch entstandenen Basaltsäulen. Das Weiß der Hülle soll an die isländischen Gletscher erinnern. Die Kirche sieht auf jeden Fall ungewöhnlich aus, wodurch sie auch außerhalb Islands ziemlich bekannt ist. Von innen ist sie typisch protestantisch, also ohne viel Schnickschnack und Dekor. Nicht einmal einen Jesus auf dem Kreuz gibt es. Hier kann man sich sicher besser auf den Gottesdienst konzentrieren als in einer Jesuitenkirche.
Von der Hallgrímskirkja geht Richtung Nordwesten die Hauptstraßen Reykjavíks ab. Im unteren Teil wird sie zu einer Fußgängerzone mit Regenbogenbelag, was ein - in Island oft vorkommendes - schönes Zeichen für Weltoffenheit und Toleranz ist. Wir schlendern die Straße entlang, sehen uns die Auslagen an und kaufen ein paar Postkarten. Die Atmosphäre ist überaus entspannt, die Lokale und Geschäfte wirken unaufgeregt, und ein bisschen alternativ. Alles in allem wirkt die Stadt wie ein leicht mondänerer Ableger von Christiania. Lustig, dieses schrullig-freundliche Wikingerdorf, aber (Haupt)Stadt-Feeling kommt hier ehrlicherweise nicht auf. Richtung Hafen wird die Gegend etwas trubeliger und städtischer. (Enten)Familien fühlen sich hier aber sicher trotzdem noch wohl.
Beim Hafen angekommen will Yven bei jedem schwimmenden Objekt wissen, ob das "unser" Schiff sei, was wir leider immer wieder verneinen müssen. Keine 2 Minuten später brettert dann aber tatsächlich ein Cargo-Laster der Smyril Line an uns vorbei, und zwar mit einem riesigen Bild der MS Norräna drauf. Das ist unser Schiff!
Am Hafen liegt das Opern- und Konzerthaus Reykjavíks, genannt Harpa. Iris kannte es natürlich bereits und so ist es neben der Hallgrímskirkja unser einziger "Fixpunkt" im Reykjavík-Programm. Im Gegensatz zu allem, was wir bisher gesehen haben, ist das Gebäude tatsächlich einer Hauptstadt würdig. Nach vielen durch die Finanzkrise 2008 ausgelösten Verzögerungen wurde es 2011 fertiggestellt und es kann sich wirklich sehen lassen. Das "Symbol für isländische Kunst und Wirtschaftskraft" wurde vom Architekten Henning Larsen geplant, für die Fassade ist allerdings der bekannte isländische Künstler Ólafur Elíasson verantwortlich. Die wabenartige Struktur ist mit Farbeffektglas gefüllt, das je nach Witterung und Blickwinkel in unterschiedlichen Farben erscheint. Elíasson wurde dabei von den schnell wechselnden Lichtstimmungen Islands inspiriert.
Auch von innen ist "die Harfe" überaus beeindruckend. Wir sehen uns sämtliche Bereiche an, die öffentlich zugänglich sind. Im Untergeschoß lässt uns eine Mitarbeiterin sogar in eine von der Natur Islands inspirierte Licht- und Soundshow, für die man eigentlich ein Ticket gebraucht hätte. Da es allerdings die letzte Vorstellung an dem Tag ist, lässt sie uns so hinein. Die Menschen hier sind wirklich überaus freundlich und sehr entspannt.
Nach dem Kulturprogramm überlegen wir, wo wir uns was zum Abendessen machen sollen, nur um dann sämtliche Überlegungen wieder zu verwerfen. Da wir nur heute in der Stadt sind, wollen wir doch mal die Gelegenheit nutzen, auswärts zu essen. Wir finden auch gleich ein nett aussehendes, kleines Fish and Chips-Lokal, wo wir nicht enttäuscht werden. Yven bekommt eine eigene, ziemlich große Portion Pommes frites, die er vollständig verputzt. Ihn macht anscheinend eher die Stadtluft hungrig.
Die Gegend um das Fish and Chips-Lokal ist wieder ziemlich dörflich und alternativ. Winzige, mit Graffitis und Wandgemälden aufgemotzte Holzhäuschen reihen sich hier locker aneinander. Die Bewohner Reykjavík zählen sicher nicht zu den gestresstesten Hauptstädtern. Wir tanken noch ein paar Sonnenstrahlen und gehen dann zurück zur Hallgrímskirkja, wo unser Auto steht.
Wir übernachten auf dem direkt am Meer gelegenen Campingplatz in Akranes, von wo wir am nächsten Tag ins Hochland (siehe Artikel Kaldidalur) starten. Der darauf folgende Tag soll eher regnerisch sein und braucht daher ein überzeugendes Schlechtwetterprogramm. Das Entspannungsbad im Hot Tub hat uns gut gefallen, und zeitlich und örtlich passt es gerade auch gut: Kurzum, wir buchen Tickets für die "Blaue Lagune".
Diese liegt auf der Reykjanes Halbinsel südwestlich von Reykjavík, unerwarteterweise ist auch die Fahrt dorthin ein ziemliches Highlight. Wir fahren durch ausgedehnte Lavafelder voller bizarrer Steinformationen, Auffaltungen und Höhlen. Das Gebiet ist in den letzten Jahren öfter in den Medien erwähnt worden, da der Tafelvulkan Fagradalsfjall immer mal wieder aktiv wurde, wobei auch flüssige Lava ausgetreten ist. Auch im August 2022 - ein paar Wochen nach unserer Heimreise - brach der Vulkan erneut aus.
Bei einem 2. Frühstück inkl. Scrambled Eggs auf einem Parkplatz neben dem Grindavíkurvegur sehen wir bereits aus der Ferne die "Blaue Lagune" rauchen und auch sonst ist dieser Spot landschaftlich überaus beeindruckend. Unser Slot für das Thermalbad startet um 13:00. Pünktlich rollen wir auf den großen Besucherparkplatz, und da wir schon vorab online gebucht haben, geht der Check-in ziemlich rasch. Wir bekommen ein Plastikarmband mit Chip, das die Umkleidekästchen sperrt und sämtliche Daten des von uns gebuchten Packages enthält. Wir haben da die Standard-Variante gewählt, die den unbegrenzt langen Eintritt ins Thermalbad, ein Getränk und eine Gesichtsmaske beinhaltet.
Die Räumlichkeiten sind recht stylish. Alles unaufdringlich und stilvoll, mit viel Glas, Holz und dunklem Naturstein. Lediglich in den Umkleiden könnte es eine Spur wärmer sein. In den Badesachen wird es einem schnell zu kalt, so dass schauen, schnell ins warme Thermalwasser zu kommen. Das große Außenbecken hat in etwa 40° und ist eine wahre Wohltat. Yven ist erst wieder ein wenig zögerlich. Er besteht darauf, dass wir ihm Schwimmflügel holen und zusätzlich klammert er sich an Iris fest wie ein kleines Äffchen, aber nach kurzer Zeit hat er sich an die Sache gewöhnt und genießt das Herumwaten im Huckepack-Modus im Wasser der milchig-blauen Lagune genau wie wir.
An der Bar suchen wir (Wolfgang und Iris) uns Erdbeerwein als Getränk aus, welches wir im warmen Wasser sitzend schlürfen. Das ist schon ein tolles Erlebnis. Wir bleiben sehr lange in der Lagune, unterbrochen von einem kurzen Landaufenthalt, bei dem wir ein paar Fotos machen und versuchen, unsere Haare auszuspülen. Die im Thermalwasser gelösten Mineralien machen diese nämlich total filzig. Im Prinzip verbringen wir hier den ganzen Nachmittag, so ein entspannter Tag ist zur Abwechslung auch mal recht schön.
Nachdem wir uns wieder geduscht, angezogen, gefönt und entfilzt haben, schauen wir noch auf die Aussichtsplattform, die es auf dem Empfangsgebäude gibt. Von da hat man einen schönen Blick über das Areal sowie das geothermische Kraftwerk, das im Prinzip für die Entstehung der "Blauen Lagune" verantwortlich ist. Diese ist nämlich eigentlich nur ein Abfallprodukt. Für die Wärmeerzeugung wird heißes Wasser aus großer Tiefe nach oben gepumpt und nach dem Wärmeentzug in das benachbarte Lavafeld abgelassen. Dabei entstand der typische blau-weiße See, dessen Färbung von Kieselalgen herrührt. Auf dem Weg zurück zum Auto gehen wir über einen öffentlich Weg, der an Teilen dieses Sees entlang führt und auch für Nicht-Badegäste zugänglich ist.
Auf dem Parkplatz, auf dem wir gegen Mittag das 2. Frühstück eingenommen haben, machen wir uns etwas zum Abendessen. Da wir da heute nicht besonders viel Zeit darauf verwenden wollen, gibt es eins von 2 Fertiggerichten, die wir von zu Hause mitgebracht haben. Das Gersten-Risotto von Spar ist allerdings fürchterlich. Auch wenn man Camping-Maßstäbe anlegt, bleibt es immer noch ein richtig schlechtes Essen. Und das nach so einem schicken Thermen-Nachmittag!
Nach dem bescheidenen Mahl fahren wir noch ein gutes Stück bis Borgarnes, wo wir auf dem einfachen, aber idyllisch am Meer gelegenen Campingplatz übernachten. Geduscht und gebadet haben wir eh ausgiebig in der "Blauen Lagune".

