Studlagil Canyon

Islands Osten

24.03.2023
Roadtrip

Nach einer einwöchigen Anreise starten wir unser Island-Abenteuer im Hafen von Seyðisfjörður im äußersten Osten der Insel. Bei herrlichem Wetter rollen wir gemeinsam mit ein paar hundert anderen Fahrzeugen von Bord der MS Norröna. Bevor es on the road geht sehen wir uns aber in dem wirklich kleinen Örtchen Seyðisfjörður um. Viel gibt es hier wahrlich nicht zu sehen. Ein paar wenige Holzhäuschen gruppieren sich um eine kleine Kirche mit einem lustig geschwungener Regenbogen-Zebrastreifen davor. Das war's dann auch schon. Bemerkenswert ist allerdings die Lage Seyðisfjörðurs. Das Örtchen am Ende des gleichnamigen Fjords genießt einen herrlichen Ausblick auf die umgebenden Berge, auf denen auch noch reichlich Schnee liegt. Der Sommer hat hier definitiv noch nicht begonnen.

Nach dieser sehr kurzen Stadtbesichtigung geht es für uns schon los. Hinter Seyðisfjörður beginnt die Straße anzusteigen, sie führt nämlich über eine Passhöhe nach Egilsstaðir. Bevor wir diese erreichen halten wir aber beim ersten Wasserfall - dem Gufufoss. 

Der Pass liegt auf etwa 600 Metern Seehöhe, was in diesen Breiten für jede Menge Schnee und auf dem Wasser schwimmende Eisschollen ausreicht. Außerdem sinkt die Außentemperatur - wie uns unser Bulli verrät - in Windeseile auf 6°, was wir jetzt eigentlich nicht erwartet hätte. Bevor die Straße wieder nach Egilsstaðir abfällt, bekommen wir noch einen tollen - und durch die klare Luft - sehr weitreichenden Blick über diese etwas größer Stadt und die dahinter aufragende Bergwelt. 

Da wir bereits am Morgen in Seyðisfjörður angekommen sind, ist es immer noch früh am Tag. Wir beschließen, das gute Wetter auszunutzen und gleich eines der (weniger bekannten) Naturwunder im Osten Islands in Angriff zu nehmen. Dafür geht es auf der gut ausgebauten Ringroad mit der Nummer 1 ein Stück Richtung Westen. Einen Zwischenstopp legen wir beim Rjúkandafoss ein, der sich hübsch über mehrere Felsstufen ergießt. Auf dem Parkplatz schauen wir uns außerdem die Gefährte an, mit denen andere Reisende unterwegs sind. Da sind wirklich ein paar sehr originelle Varianten dabei. 

Kurz hinter dem Wasserfall biegen wir nach Süden in ein Seitental ein, und landen auch gleich auf der ersten Schotterstraße. Diese ist eigentlich in einem guten Zustand, allerdings ein wenig "waschbrettig". Wir fahren entlang der Jökla bis wir nach gut 10 Kilometern die Ansiedlung Klaustursel erreichen. Dort überqueren wir eine Brücke und kommen auf einen Feldweg, der deutlich schlechter beieinander ist als die Schotterpiste. Ganz sachte und langsam schaukeln wir vorwärts und es geht auch einigermaßen, bis wir auf halber Strecke zu dem von uns angepeilten Parkplatz an eine Steigung kommen, wo der Weg unglücklicherweise ziemlich ausgefahren ist. Wir nehmen mehrere Anläufe, schaffen es aber nicht, unseren Bulli da drüberzumanövrieren. Immer wieder drehen die Reifen durch und der Motor stirbt ab. Da fehlt ihm wohl doch ein wenig Power und/oder die Geländegängigkeit. In diesem Fall ist das nicht weiter schlimm, da der Weg an der Stelle so breit ist, dass wir wenden können und dann einfach dort am Wegrand parken. Der Fußmarsch, den wir nun vorhaben, verlängert sich so um gut einen Kilometer pro Richtung. 

Zu Fuß geht es also weiter den Feldweg, bis wir den ursprünglich angepeilten Parkplatz erreichen. Ab hier wandern wir auf einem reinen Fußweg bequem und ohne nennenswerte Steigung dahin. Wir kommen am Stuðlafoss vorbei und schön langsam gräbt sich die Jökla tiefer ins Gelände ein und gibt uns einen dezenten Vorgeschmack auf das, was da noch kommt. Nach knapp 3 Kilometern erreichen wir unser Ziel - den Stuðlagil Canyon. 

Die Schlucht avancierte erst in den letzten Jahren zu einer bekannteren Sehenswürdigkeit, was einen recht kuriosen Grund hat. Der von gigantischen Basaltsäulen gesäumte Canyon war bis zum Jahr 2009 einfach nicht sichtbar, da der Wasserspiegel der Jökla damals noch 7-8 Meter höher lag. Durch ein Staudammprojekt wurden sämtliche Zuflüsse zur Jökla gekappt, so dass der Wasserstand absank und die  fremdartig wirkenden Basaltformationen freigegeben wurden. Diese sind in der Tat beeindruckend. An der engsten Stelle stehen die sechseckigen Säulen vollkommen Senkrecht zu beiden Seiten des Flussufers. Zwischen ihnen verläuft der wunderschön grün schimmernde Fluss. Das sieht unglaublich toll aus. Der Blick vom Canyonrand ist schon sehr beeindruckend. Durch eine einfache Kletterpartie kommt man an einer Stelle aber auch bis zum Flussufer runter. Von unten betrachtet sind die Basaltsäulen tatsächlich noch beeindruckender. Da das Wetter so schön und auch warm ist, turnen wir lange auf der Oberfläche der Sechseckformationen herum. Irgendwie ahnen wir schon, dass man diese lauschigen Temperaturen in Island ausnutzen muss. 

Auf der westlichen Flussseite gibt es ebenfalls noch einen über eine Schotterstraße erreichbaren Parkplatz. Dieser ist zwar näher am Canyon, dafür erreicht man aber von dort auch nur eine Aussichtsplattform, die so aufgestellt wurde, dass man den Canyon gerade nicht gut einsehen kann. Zum Flussufer kann man von dort auch nicht hinunter, so dass wir die Besichtigung des Stuðlagil Canyons auf jedem Fall von der Westseite her empfehlen, auch wenn das mit einem längeren Fußmarsch verbunden ist. 

Nachdem wir fast schon Sorge haben, uns einen Sonnenbrand geholt zu haben, treten wir den Rückweg an. Über die Schotterstraße Jökuldalsvegur geht es zurück zur Ringroad und von dort bei tollem Abendlicht und mit Blick auf die umliegenden, schneebedeckten Berge nach Egilsstaðir. Dort kaufen wir ein paar Dinge im Supermarkt ein und steuern dann den dortigen Campingplatz an, wo wir noch ein schönes Plätzchen ergattern. Wie auf den Färöer Inseln wird es natürlich auch in Island nicht dunkel und so geht unser erster Tag auf der Insel aus Feuer und Eis nur sehr langsam zu Ende.

Der nächste Tag empfängt uns mit Island-Wetter, so wie wir es uns vorgestellt haben. Da es in den kommenden Tagen aber vor allem im Süden wieder sonnig werden soll, entschließen wir uns, die Island-Umrundung im Uhrzeigersinn vorzunehmen. Gleich hinter Egilsstaðir finden wir uns in unendlich weiter, unberührter Natur wieder. Am Straßenrand wachsen außerdem violett-lila Lupinien, und zwar in beeindruckender Größe und Anzahl. 

Der schnellste Weg nach Süden führt allerdings nicht über die küstennahen Ringroad sondern ein wenig weiter im Landesinneren über die ebenfalls gut ausgebaute Straße Nr. 95. Nach etwa 45 Kilometern Fahrt zweigt von dieser rechterhand eine Gravelroad ab, die eine weitere Abkürzung ist und am Ende des Berufjörðurs wieder auf die Ringroad trifft. Da uns die Navi das so vorschlägt, nehmen wir die Straße und das stellt sich als richtiger Glücksgriff heraus. Die Landschaft hier ist unglaublich schön und ganz konträr zu dem, was wir am Tag davor gesehen haben. Während die Gegend nordöstlich von Egilsstaðir eher karg und trocken war, scheint es hier reichlich Niederschläge zu geben. Bäche und Wasserfälle schießen an allen Ecken und Ende herunter. Die felsigen Abhänge werden von knallig grünen Moosen überwuchert, teils von Nebelschwaden eingehüllt. Unglaublich, was das für eine Stimmung erzeugt.  

Am Folaldafoss machen wir regenbedingt eine Indoor-Kaffeepause. Das vor uns liegende Panorama reicht vom Wasserfall auf der einen Seite bis zum Berufjörðu auf der anderen und beeindruckt uns sehr.  

Nach dieser Pause geht es weiter Richtung Höfn. Wir sehen ein paar Rentiere am Straßenrand und genießen die Fahrt entlang der Küste, auch wenn es mittlerweile schon mehr als nur vereinzelt regnet. Wir machen einen Stopp in Stokksnes, wo es an und für sich einen sehenswerten Strandabschnitt zu sehen gäbe. Als wir dort sind, bläst dann aber auch der Wind noch ziemlich stark, so dass der Regen nun auch waagrecht daherkommt. Irgendwie ist uns das zu ungemütlich und obendrein müssten wir für den Strand auf Privatgrund Eintritt bezahlen, so dass wir uns dazu entschließen, nicht zum Strand zu gehen sondern lieber noch eine Runde Kaffee kochen. Auf dem Parkplatz gibt es außerdem eine beheizte Toilette, was unter den gegebenen Umständen nicht das Schlechteste ist. Gut aufgewärmt fahren wir bis Höfn weiter, wo wir wieder einkaufen gehen, um unsere Vorräte aufzufüllen. Beim Wegfahren passiert uns leider ein kleines Unglück. Auch die Ortseinfahrt ist nicht asphaltiert und ein entgegenkommender LKW, der ziemlich schnell unterwegs ist, wirbelt Steine von der Schotterpiste hoch, von denen uns einer mit unglaublicher Wucht auf der Windschutzscheibe trifft. Der Knall ist ohrenbetäubend, umso mehr wundert es uns, dass wir erst gar keinen Schaden erkennen können. Nach kurzer Zeit sehen wir aber doch, dass wir einen langen Riss im oberen Teil der Windschutzscheibe haben. So eine Mist!