Hafnarholmi

Islands tierischer Nordosten

15.03.2023
Roadtrip

Unsere Island-Reise neigt sich langsam aber sicher ihrem Ende zu. Zur Komplettierung der Ringrunde fehlt uns nur mehr ein kleines Stück, welches wir heute in Angriff nehmen werden. Wir fahrend auf der Ringroad Richtung Osten und biegen nach etwa 30 Kilometern links auf die 862 ab, über die wir nach weiteren 25 Kilometern den Besucherparkplatz West des Dettifoss erreichen. Vom Parkplatz führt ein Fußweg über ein karges, steiniges Plateau zum Wasserfall, und dieser kann sich - obwohl wir diesbezüglich schon verwöhnt sind - auch wirklich wieder sehen lassen. 

Der vom Vatnajökull abgehende Gletscherfluss Jökulsá á Fjöllum stürzt hier über eine Geländekante und bildet dabei einen der größten Wasserfälle Europas. Die Mächtigkeit der - über eine Breite von 100 Metern in eine Schlucht hinabstürzenden - Wassermassen ist schier unglaublich. Obwohl die an den Wasserfall heranführenden Wege gut gesichert sind, beschleicht einen am Ufer stehend durch die extreme Nähe und die hohe Fließgeschwindigkeit des Wassers ein mulmiges Gefühl. So etwas erschreckend Beeindruckendes haben wir bislang noch nicht gesehen!  

Der Weg, von dem aus man den Dettifoss bewundern und anschmachten kann, führt auch etwas den Hang hinauf. Von hier hat man einen sehr guten Überlick über das gesamte Naturschauspiel. Es ist toll anzusehen, wie die Gischt des Wasserfalls ein Stück flussabwärts noch einmal aus der Schlucht aufsteigt und ihren feuchten Nebel vor allem über die westlichen Abhänge verteilt. Genau diese sind dann auch saftig grün bewachsen, während die Ostseite vollkommen kahl ist. Auch von dort ist eine Besichtigung des Dettifoss möglich, allerdings wollten wir unserem Van die Offroad-Strecke auf der Seite nicht antun.   

Circa einen Kilometer südlich des Dettifoss bildet der Jökulsá á Fjöllum an einer 10 Meter hohen Abbruchkante einen weitere Wasserfall - den Selfoss. Natürlich folgen wir auch dem ausgeschilderten Pfad dorthin. Wenngleich nicht so spektakulär wie der Dettifoss, sind auch die vielen Einzelkaskaden des Selfoss recht ansehnlich. Das sollte man sich nicht entgehen lassen.  

Nach einer ausgiebigen Kaffeepause auf dem Parkplatz West des Dettifoss geht es wieder zurück zur Ringroad und durch karge Landschaftsabschnitte immer weiter Richtung Osten. Das letzte Stück vor Egilsstaðir kennen wir schon, da wir ja an unserem ersten Tag gleich zum Stuðlagil Canyon gefahren sind. 

In Egilsstaðir angekommen suchen wir als erstes eine Apotheke auf, da wir für die bevorstehende Schifffahrt in puncto Seekrankheit besser gerüstet sein wollen. Ein Telefonat mit unserem hochgeschätzten Kinderarzt ergibt, dass Antihistamin-Saft hier das Mittel der Wahl ist. Die isländische Apothekerin teilt diese Ansicht und so kaufen wir gerne eine Flasche von dem Gebräu.

Nachdem das erledigt ist brechen wir dann zu unserem sozusagen letzten Abenteuer in Island auf. Trotz der dafür richtigen Saison, waren wir bei der Sichtung von Papageientauchern bislang nicht erfolgreich. Wir beschließen also, an einen Ort zu fahren, an dem eine Sichtung praktisch als gesichert gilt. Dieser liegt eine Autostunde nordöstlich von Egilsstaðir bei Borgarfjörður. Auf geht's!

Auf der 94, die nach Norden führt, werden wir aufgrund eines sehr langen Baustellenabschnitts mit Wellblechpiste ziemlich unangenehm durchgerüttelt. So dauert es etwas länger, bis wir in Borgarfjörður ankommen. Wir checken erst noch auf dem dortigen Campingplatz ein und machen uns etwas zu essen. Gegen Abend fahren wir dann noch die letzten paar Meter zum Borgarfjarðarhöfn, wo die süßen Puffins ihre Sommerresidenz haben sollen.

Wir stellen unser Auto ab, der Himmel sieht bedrohlich nach Regen aus, aber wir wollen es jetzt wissen. Von ferne sehen wir bereits, dass auf dem beschriebenen Felsen Vögel sitzen, es lässt sich aber noch nicht erahnen, welche es sind. Da Wolfgang mit seiner Brille einfach am besten sieht, ist er derjenige, der uns mit den Worten "Ja, das sind welche!" erlöst.

Auf dem berühmten Vogelfelsen von Hafnarhólmi spielt es sich wirklich ab, das hätten wir uns nicht mal ansatzweise träumen lassen. Tausende Papageientaucher haben sich hier zum Brüten niedergelassen. Auf den mit Gras bewachsenen Felsen wimmelt es nur so von den witzigen Tieren, die vor ihren Bruthöhlen sitzen. Diese sind eingegraben in den - wie wir jetzt sehen - ziemlich weichen Boden. Jetzt verstehen wir auch, dass die felsigen Klippen, auf denen wir die Tiere bislang vergeblich gesucht haben, zum Brüten auch vollkommen ungeeignet sind. 

Grundsätzlich leben die Vögel die meiste Zeit des Jahres auf dem offenen Meer, wo man sie nicht sehen kann. Nur zur Brutsaison, die in etwa von April bis August dauert, kommen sie an die Küsten und lassen uns dann auch erstaunlich nah an sich ran. Sie sitzen direkt neben den für die Besucher angelegten Holzstegen und wir können sie ganz in Ruhe beobachten.

Zur Nahrungssuche fliegen sie wieder aufs offene Meer hinaus und kehren mit der Beute im Schnabel zurück. Es ist ein besonderes Highlight und in puncto Fotografieren eine Herausforderung, wenn einer von ihnen wie ein Bruchpilot landet, um dann in Windeseile in einer Höhle zu verschwinden. 

Auf dem Vogelfelsen gibt es auch ein kleines Holzhäuschen, das als Vogelbeobachtungsstation dient. Man kann sich dort drin hinsetzen und durch ein kleines Schiebefenster auch bei Regen Vögel beobachten. Da die bedrohlichen Wolken hie und da auch wirklich auslassen, kommt uns das sehr entgegen. 

Nachdem wir uns sehr lange und bis zur Grenze von Yvens Aufmerksamkeitsspanne auf dem Vogelfelsen aufgehalten haben, kehren wir auf den Campingplatz zurück. Dieser liegt wieder sehr schön und bietet Richtung Süden einen tollen Blick auf schneebedeckte Berge. Leider ist es in der Nacht ziemlich stürmisch und der Wind rüttelt ordentlich an unserem Dachzelt, was uns immer wieder aus dem Schlaf reißt.

Unser letzter Island-Tag bricht an und so müssen wir uns wohl oder übel nach Seyðisfjörður begeben, von wo morgen früh unser Schiff ablegen wird. Davor wollen wir aber den Papageientauchern noch einen zweiten Besuch abstatten. Heute ist das Wetter besser und wir verbringen noch eine weitere entspannte Stunde bei den faszinierenden, für Island so typischen Vögeln. 

Danach geht's aber wirklich los. Mittlerweile kommt sogar die Sonne noch einmal raus und wir haben eine wunderschöne Fahrt über die Passhöhe, über die sich die 94 gleich hinter Borgarfjörður hinaufschlängelt. 

Kurz bevor es wieder runter geht kommen wir an einen Aussichtspunkt, von wo wir einen unsagbar schönen Ausblick auf die Mündung der Jökla, die sich an einem schwarzen Sandstraße in die Grönlandsee ergießt, haben. Das ist übrigens der gleiche Fluss, der durch den Stuðlagil Canyon fließt, welchen wir am ersten Tag unserer Island-Reise besucht haben. Erwähnenswert ist auch, dass es bei dem Aussichtspunkt ein öffentliches WC gibt, das definitiv in puncto Lage eine Auszeichnung verdient. Wir überlegen, einen Artikel à la "Most scenic toilets in the world" zu schreiben. 

Da wir uns die Rüttelei bei der Baustelle ersparen wollen, zweigen wir rechterhand auf die 944 ab, die dann in die 925 übergeht. Das sind zwar von vornherein Offroad-Straßen, aber in gutem Zustand und so viel angenehmer zu fahren. Wo die 925 wieder auf die Ringroad trifft, gibt es eine Fußgängerbrücke über die Jökla, von wo man einen schöne Blick auf das Flussbett hat. Wir machen hier eine Kaffeepause und fahren den nach Egilsstaðir und weiter Richtung Hafen. Als wir von der Passhöhe nach Seyðisfjörður runterfahren fängt es doch tatsächlich zu graupelschauern an. Wir haben mittlerweile den 22. Juni. Nicht schlecht! Dieses Ereignis erleichtert uns allerdings die Entscheidung darüber, was wir mit dem restlichen Tag anfangen werden. 

In Seyðisfjörður angekommen schauen wir erst, dass wir auf dem dortigen Campingplatz unterkommen. Da es noch früh am Nachmittag ist, ist das auch kein Problem, allerdings merkt man gleich, dass morgen die MS Norröna ablegt. Dicht an dicht schlichten sich die unterschiedlichsten Campinggefährte aus aller Herren Länder auf dem Platz aneinander. Jeder Quadratmeter muss heute ausgenutzt werden. Ist der Platz voll, gibt es sogar noch ein Overflow-Areal auf einem Grundstück nebenan.

Da Seyðisfjörður nur eine winzige Ansiedlung ist, sind die Möglichkeiten, hier Zeit zu verbringen sehr eingeschränkt. Eine für uns interessante Sache gibt es aber, und zwar ein öffentliches Hallenbad, das auch über einen Hot Tub verfügen soll. Dort ist es sicher gemütlicher und wärmer als auf dem Campingplatz und so ist die Entscheidung rasch gefallen. Der Hot Tub im Freien ist auch wirklich himmlisch und wir genießen das warme Wasser in vollen Zügen. Dass manchmal etwas Regen fällt stört dabei überhaupt nicht. Lustig ist es auch mit den anderen Schwimmbad-Besuchern. Fast durchwegs handelt es sich dabei um Gleichgesinnte, die morgen Richtung Dänemark abfahren. So machen wir die Bekanntschaft eines Motorradfahrers aus Steyr sowie eines recht netten deutschen Ehepaars mit denen wir - im heißen Wasser sitzend - Reiseerfahrung austauschen. Wir planschen zwischendurch auch ein Runde in der Schwimmhalle. Das Wasser ist auch hier angenehm nur die Raumtemperatur in der Halle ähnlich wie in der "Blauen Lagune" viel zu niedrig. Scheint in Island so üblich zu sein. Auf dem Campingplatz machen wir uns noch was zu essen und bereiten dann alles für die bevorstehende Überfahrt vor. 

Am nächsten Tag ist es so weit. Wir verlassen bereits am Vormittag Island. Bei bestem Wetter stellen wir uns mit ein paar hundert anderen Fahrzeugen in Reih und Glied im Hafen auf, um dann geordnet im Bauch der MS Norröna zu verschwinden. Das klappt reibungslos und so laufen wir pünktlich aus. Wir bleiben erst noch an Deck und schauen uns die Berglandschaft, die sich beidseits des Fjords erhebt, an. Als wir das offene Meer erreichen, ziehen wir uns ins Innere des Schiffs zurück, da es ja auch dort einiges zu entdecken gibt. 

Dank des Antihistaminsafts erfreut sich Yven bei der Überfahrt diesmal bester Gesundheit. Es macht ihm riesig Spaß über die verschiedenen Decks zu flitzen und endlich den Kinderspielbereich auszunutzen. Jetzt ist er endgültig seetauglich. 

48 Stunden später laufen wir im Hafen von Hirtshals ein. Wir haben die Überfahrt spitzenmäßig überstanden und jetzt trennen uns nur mehr lächerliche 1400 Fahrkilometer von der Heimat. Am selben Tag fahren wir noch bis in die Gegend von Hannover, wo wir am Würmsee übernachten.

Am nächsten Tag geht es erst bis Leipzig. Von da wählen wir diesmal aber nicht die Route durch den Bayerischen Wald, sondern über Dresden und Prag. Da es auf der Prager Außenringautobahn leider einen Unfall gibt, leitet uns die Navi mitten durch Stadt. Wir glauben, dass wir da auch auf eine größeren Durchzugsstraße geroutet werden, und staunen wir nicht schlecht, als wie uns auf einmal am oberen Ende des Wenzelsplatzes wiederfinden.

Am späten Nachmittag erreichen wir Österreich. In Freistadt machen wir einen Zwischenstopp bei Iris' Mama, gehen gemeinsam Essen und dann sind wir fast schon zu Hause.