Hochlandroute Kaldidalur
Vom Akranes starten wir endlich unsere Tour über die Hochlandroute Kaldidalur. Das Wetter sollte heute ganz passabel werden, auch wenn es morgens auf dem Campingplatz noch nicht danach aussieht. Wir packen aber trotzdem zusammen und los geht's Richtung Thingvellir. Die Lichtstimmung, die uns dabei begleitet ist eigenartig, aber vielversprechend.
Den Streckenabschnitt bis Thingvellir kennen wir ja schon, da wir ihn bereits in der Gegenrichtung gefahren sind, beim Thingvellir Tourist Information Centre biegen wir dann aber links auf die uns noch unbekannte Straße 550 Richtung Húsafell ab. Schon länger ist die Route auch ohne Allradfahrzeug befahrbar, was man an dem fehlenden F in der Straßenbezeichnung erkennt. Das F steht ansonsten für "Four-wheel drive" und ist nicht nur eine Empfehlung. F-Straßen dürfen von Gesetzes wegen nur mit Allradfahrzeugen befahren werden.
Die Kaldidalur ist aber - wie wir recherchiert haben - mittlerweile sogar teilasphaltiert. Der erste ca. 25 km lange Abschnitt bis dort, wo linkerhand die 52 abzweigt, zeigt sich wirklich von seiner besten Seite. Makellos zieht sich das offenkundig noch recht neue Asphaltband durch eine Landschaft aus schwarzer Vulkanerde, die mit giftgrünen und gelben Moosen überwuchert ist. Auch der See Sandkluftavatn, an dem wir vorbeikommen, sieht aus, wie nicht von dieser Welt.
An einer besonders schönen Stelle machen wir eine Kaffeepause. Als Wolfgang die Heckklappe öffnet, um das Gas aufzudrehen, wird leider unser aufgeblasener Wasserball davongeweht. Es ist ziemlich böig, der Ball federleicht und in der isländischen Landschaft gibt es wenig, das den Ball aufhalten könnte. Während Iris ihn schon abschreibt, hechtet Wolfgang ihm heldenhaft hinterher. Unglaublich, wie schnell sich beide über die schroffe Vulkanlandschaft bewegen können. Mit vollem Einsatz schafft Wolfgang es tatsächlich, den Ausreißer wieder einzufangen, wofür ihm Yven noch lange dankbar ist.
Ab dem Abzweiger zur 52 beginnt dann aber tatsächlich der unbefestigte Teil der Kaldidalur. Obwohl unser Bulli nicht wirklich geländetauglich ist, haben wir hier aber vorerst keine Probleme. Die Strecke besitzt keine nennenswerten Steigungen oder Gefälle. Außerdem ist sie ziemlich hart zusammengepresst und meist so breit, dass 2 Autos aneinander vorbeifahren können.
Die Landschaft würden wir als "wüstenartig mit Blick auf Schnee und Eis in der Ferne" beschreiben. Es ist vollkommen klar, warum hier von einem "Hochland" die Rede ist. Die in der Ferne aufragenden Berge heben sich nicht arg weit aus der bereits sehr hoch liegenden Standebene heraus, eine "Hochebene" eben.
Nach ca. weiteren 20 km auf der Schotter-Piste erreichen wir den höchsten Punkt der Kaldidalur auf über 700 Metern Seehöge. Hier gibt es einen kleinen Parkplatz neben der Straße, auf dem wir eine Kaffeepause einlegen. Von hier hat man einen schönen Blick auf den Thórisjökull, einen westlich der Kaldidalur gelegenen, vergletscherten Tafelvulkan - oder besser gesagt - man hätte, bei etwas besserem Wetter.
Da wir bisher schon gut vorangekommen sind, lassen wir uns mit unserer Pause Zeit - so nach dem Motto "Kommt Zeit, kommt Rat". Und siehe da, wir haben Glück. Von einer Sekunde auf die andere lichten sich die Wolken, die Sonne bricht an vielen Stellen durch und wir bekommen einen tollen Blick auf den Thórisjökull und auch die weiter entfernten, im Norden und Süden liegenden Berge. Nicht von schlechten Eltern ist allerdings immer noch der Wind, der kräftig unseren Van umweht. Wir gehen natürlich schon zum Fotografieren raus, aber länger als ein paar Momente ist es nicht auszuhalten.
Die Qualität der Schotterpiste ist auch weiterhin gut, und mit Sonnenschein zeigt sich die Kaldidalur auch von ihrer lieblicheren Seite. Mit der Piste im Besonderen haben wir auch keine Probleme, nur fragen wir uns beim Anblick mancher Wegweise schon, ob wir für Island ganz grundsätzlich das richtige Fahrzeug haben.
Nach einer Weile kommen wir an die Stelle, wo rechterhand die Straße 551 Richtung Langjökull abzweigt. Auch das ist keine F-Straße, wir haben uns allerdings vorher informiert, und wissen, dass sie in einem schlechteren Zustand sein soll als die Kaldidalur. Aus diesem Grund wollten wir sie eigentlich nicht fahren, aber da es noch nicht spät ist und bisher alles so gut geklappt hat mit dem "Offroad-Fahren", wagen wir es doch. Bis zum Langjökull sollen es ja auch nur 7 Kilometer sein.
Wir tuckern also los, und es geht eigentlich gar nicht schlecht, wenngleich diese Straße schon deutlich ruckeliger ist als die Kaldidalur. Um das Gerüttel in Grenzen zu halten fahren wir ziemlich langsam. In der Ebene geht das auch sehr gut, aber dann kommt eine nicht zu vernachlässigende Steigung und da tut sich unser Bulli mit seinen bescheidenen 110 PS schon schwerer. Wir werden gefährlich langsam und bleiben dann - wie auch schon beim Stuðlagil Canyon - in der Steigung hängen. So ein Mist! Wolfgang lässt das Auto mehrmals ein Stück zurückrollen um es noch einmal zu probieren, und siehe da - nach ca. 8 Mal Motor abwürgen - schafft er es tatsächlich, im Gefälle noch einmal anzufahren. Unser Bulli schleppt sich noch ein paar Meter bis zum Parkplatz des "Basecamps", und hier beschließen wir, es vorerst gut sein zu lassen. Die Straße würde noch ein kurzes Stück weiterführen, wir sehen von unserer Position aus aber nicht, wie sie verläuft, also ist hier definitiv Endstation.
Auch von der Parkfläche aus bietet sich uns ein grandioser Blick über die karge Ebene, über die wir gekommen sind. Von den umliegenden Bergen blitzen die Gletscher und auf dem Parkplatz beeindrucken uns die Gefährte, die für die Expeditionen zum und auf den Langjökull verwendet werden. Mit denen wären wir auf der 551 sicher nicht hängengeblieben.
Wieder zurück auf der Kaldidalur bezaubert uns eine unglaubliche Landschaft, in der die wasserreichen Gletscherabflüsse sich ihren Weg durch eine atemberaubende Gebirgslandschaft bahnen. Kurz bevor die Schotterpiste nach etwa 40 Kilometern ihr Ende findet, fällt sie etwas steiler ins Bett des Flusses Hvítá hinab. So ist das ja kein Problem für uns, aber wir sind uns nicht sicher, ob wir - wenn wir die Kaldidalur in die andere Richtung gefahren wären - hier ohne Hänger heraufgekommen wären.
Ein paar Kilometer die Hvítá entlang befindet sich die Hraunfossar. Zur Abwechslung handelt es sich dabei nicht um einen Wasserfall, sondern um ein Netz aus ganz vielen kleinen Fällen. Über eine Länge von mehreren hundert Metern ergießen sich die Wassermassen in vielen kleinen Gerinnen in die an dieser Stelle wunderschön blaue Hvítá. Die Farbe des Wasser ist unglaublich, genau wie die "Herkunft" der Hraunfossar. Die Wasserfälle scheinen direkt aus dem schwarzen Lavafeld Hallmundarhraun zu kommen. Tatsächlich werden sie von einem Nebenarm der Hvítá gespeist, der vom Hauptfluss abzweigt, ein Stück unterirdisch unter dem Lavafeld verläuft und an besagter Stelle wieder zu Tage tritt.
Ein kurzer Spazierweg führt von den Hraunfossar zum ein Stück weiter flussaufwärts gelegenen Barnafoss. Den sollte man sich auch nicht entgehen lassen, auch wenn das kein klassischer Wasserfall ist, sondern eher eine Abfolge an natürlichen Wasserbecken, durch die das Flusswasser tost und dabei ordentliche Stromschnellen erzeugt.
Auf dem Weg zu unserem Übernachtungsplatz kommen wir bei interessanter Lichtstimmung an jeder Menge reizvoller Landschaft vorbei und auch eine - eigentlich naheliegende - Inspiration für unsere Roadtrip-Playlist bekommen wir. Der Mosskogar Campingplatz, auf dem wir übernachten, ist ziemlich witzig. Ein privater Betreiber hat hier einen riesigen Aufwand betrieben und viele tolle Gewächshäuser angelegt, von denen eines als Gemeinschaftsspeiseraum benutzt wird. Auch die restlichen Anlagen sind mit viel Liebe zum Detail angelegt. Der Campingplatz ist ein richtiges Unikat und als solches auch der einzige auf unserer Reise, der keine Kreditkarten akzeptiert.
