Entlang des Golden Circles
Nach der Übernachtung in Flúðir wollen wir heute in das bekannte Gebiet Landmannalaugar fahren, das für seine farbigen Berge bekannt ist. Der Weg dorthin ist auf jeden Fall schon mal landschaftlich viel versprechend. Wir gondeln gemütlich dahin und werden plötzlich von einem Auto mit isländischem Kennzeichen überholt und dann richtig ausgebremst. Das für den isländischen Straßenverkehr untypische Verhalten erstaunt uns schon etwas, und wir fragen uns, was das wohl werden soll. Dabei liegt die Lösung ja fast auf der Hand. In dem gemieteten (!) Auto sitzt ein österreichisches Pärchen, und die wollen natürlich unbedingt wissen, wie um Himmels Willen ein Linzer mit seinem eigenen Auto nach Island kommt. Wir erklären es ihnen mitten auf der Straße, wo wir uns von offenem Fenster zu offenem Fenster unterhalten, außer uns ist hier anscheinend eh niemand unterwegs. Die 2 sind aus der Steiermark und fragen uns auch ganz offen, was die Überfahrt gekostet hat. Wir sagen es ihnen ebenso ehrlich. Alles in allem ein recht witzige Begegnung!
Auf der weiteren Fahrt tauchen ein paar Mal in dichten Nebel ein, was gut zu der mystischen, isländischen Landschaft passt. Von der 26er-Straße biegen wir nach Süden auf die 208 Richtung Landmannalaugar ab, die früher nur mit Allrad zu befahren war. Mittlerweile ist das erste Stück sogar asphaltiert und nur mehr die letzten 20 Kilometer bis Landmannalaugar eine auch für 2WD-Fahrzeuge taugliche Schotterpiste. Genau dort, wo diese anfängt, ist dann aber überraschenderweise Endstation. Offenbar ist die Piste nach Landmannalaugar noch komplett gesperrt, da die üppigen Schneefälle in diesem Jahr ihre Spuren an der Straße hinterlassen haben und diese noch nicht wieder fertig instandgesetzt wurde. Das ist ja blöd. Wir sind schon ein wenig traurig, aber das lässt sich nun ja nicht ändern. Eine kurze Internet-Recherche ergibt, dass auch die Hochlandpisten Sprengisandur und Kjölur noch gesperrt sind.
Notgedrungen kehren wir um und beschließen kurzerhand das Programm, das eigentlich für den nächsten Tag geplant war, vorzuziehen. Auf dem Weg retour halten wir aber erst beim recht hübschen Hjálparfoss. Außerdem sieht man von einer Anhöhe ein Art Light-Version von Landmannalaugar. Auch hier leuchten die Abhänge der umliegenden Hügel bereits in ungewöhnlichen Farben. Die rötlich-braune Färbung rührt von Rhyolith-Gestein her und sieht toll aus.
Nach dem Hjálparfoss beginnen wir also die Befahrung des sogenannten Golden Circles. Es handelt sich dabei um eine beliebte Reiseroute im Südwesten Islands, die 3 Hauptsehenswürdigkeiten der Insel abklappert und von Touristen oft an einem Tag bewältigt wird. So ehrgeizig sind wir nicht, aber wir fangen mal an. Auf dem Weg zur ersten Hauptsehenswürdigkeit kommen wir natürlich wieder an beeindruckender Landschaft aber auch an allerhand Bauernhöfen vorbei.
An dieser Stelle muss angemerkt werden, dass die isländischen Bauernhöfe in puncto Romantik keinesfalls mit ihren Kollegen aus Bullerbü mithalten können. Schön bemalte und herausgeputzte Holzhäuschen sucht man hier leider vergebens. Die Gehöfte bestehen durchwegs aus gesichtslosen Stahlbetongebäuden mit Blechdächern. Wir vermuten, dass man da - wie auch andernorts in Island - bereits den amerikanischen Einschlag spürt.
Die erste Sehenswürdigkeit auf dem Golden Circle ist der Gullfoss. Der Wasserfall fällt über 2 Stufen eine Felskante hinab und ändert dabei seine Richtung um etwa 135°, was schon recht außergewöhnlich ist. Außerdem fällt die zweite Stufe in eine ziemlich enge Schlucht, aus der die Gischt nur so herausgedrückt wird. Die Hauptaussichtsplattform befindet sich in etwa auf Flussniveau und selbstredend werden wir auch hier wieder ordentlich nass. Als wir da sind, kommt außerdem die Sonne raus, so dass vor dem Wasserfall ein wunderschöner, langgezogener Regenbogen entsteht. Was will man mehr.
Für die wasserscheueren Island-Reisenden gibt es eine über Treppen erreichbare, höher gelegene Aussichtsplattform, von der man auch noch ein wenig nach Norden ins Gelände spazieren kann. Auch von hier ist der Ausblick richtig beeindruckend.
Sightseeing-Highlight Nummer 2 auf dem Golden Circle ist das Geothermalgebiet Haukadalur. Der Begriff "Gebiet" ist bereits irreführend, da er eine wesentlich größere Fläche erwarten lässt, als dort tatsächlich vorzufinden ist. Haukadalur ist winzig, zumindest wenn man es mit den Geothermalgebieten im Yellowstone National Park vergleicht. Leider reisst es das "Gebiet" auch qualitativ nicht wieder heraus. Wir haben es ja bereits von anderen Reisenden gehört, aber uns nicht so recht vorstellen können. Verglichen mit ihren Kollegen in Wyoming sind die dort vorkommenden geothermalen Naturphänomene - diplomatisch gesagt - weniger beeindruckend. Die paar wenigen rauchenden Quellen und blubbernden Schlammlöcher sind ganz nett, aber nicht übermäßig farbenprächtig. Ein kurzer Spaziergang reicht aus, um alles gesehen zu haben und sich etwas Schwefelduft um die Nase wehen zu lassen. Da wir bereits Geothermal-Profis sind empfinden wir diesen nicht mal mehr als sonderlich unangenehm.
In Haukadalur gibt es auch Geysire. Der Begriff leitet sich vom isländischen Wort geysa ab und bedeutet so viel wie "herausspritzen, sich ergießen". Der sogenannte "Große Geysir" in Haukadalur ist der älteste bekannte seiner Art und namensgebend für alle Geysire der Welt, Wasser spritzt er allerdings nur mehr selten und auch in nur unregelmäßigen Abständen. Um einiges zuverlässiger ist da der "Strokkur", der sich auch in Haukadalur befindet. Zu unserem Entzücken bricht er ziemlich spektakulär in regelmäßigen Abständen von etwa 10 Minuten aus. Die kochende Wassersäule erreicht dabei Höhen von bis zu 35 Metern, was schon recht beachtlich ist. Das "Butterfass" ist somit definitv das Highlight hier und muss auch den Vergleich mit "Old Faithful" nicht scheuen.
Für die Nacht quartieren wir uns auf dem Uthlid Campground ein. Wir bleiben direkt vor dem Rezeptionsgebäude stehen, was den Eigentümern recht ist und einen kurzen Weg zum hauseigenen Hot Tub bedeutet, den wir gerne kostenlos nutzen dürfen. Das lassen wir uns natürlich nicht 2 Mal sagen und sitzen kurze Zeit später in Badeklamotten und mit Hauben auf dem Kopf in gut 40° heißem Thermalwasser. Yven ist das erst gar nicht geheuer, irgendwie hat er Angst vor dem unbekannten Gewässer, aber nachdem er sich auf unserem Schoß daran gewöhnt hat, ist er - wie wir - restlos begeistert. Die Hauben können wir bald absetzten, da das Wasser so unglaublich warm ist. Wir lassen den Tag ganz relaxed und mit einem Wahnsinns-Ausblick über die saftig grüne Ebene des Golden Circles ausklingen.
Die totale Ernüchterung kommt ein paar Stunden später, als mitten in der Nacht eine Meute von Kriebelmücken über uns herfällt. Die Biester sind so klein, dass sie es schaffen in jede noch so kleine Stofffalte zu schlüpfen, die nicht von Kleidung bedeckten Körperstellen sind ihnen sowieso schutzlos ausgeliefert. Im Schlaf kapieren wir leider nicht, dass wir hier besser das Weite suchen sollten, sondern bleiben die ganz Nacht dort oben stehen. Da haben wir uns ein paar schöne Souvenirs eingefangen. Die Stiche jucken extrem und sind so hartnäckig, dass wir sie für den Rest der Island-Reise behalten.
Es tut uns im Endeffekt nicht leid, den Campingplatz verlassen zu müssen. Wir fahren weiter auf dem Golden Circle und klappern noch die dritte Hauptsehenswürdigkeit auf diesem ab - Thingvellir. Der Ort ist nicht nur geographisch-geologisch bedeutend, sondern zur Abwechslung auch mal geschichtlich. Zum einen befindet sich Thingvellir genau dort wo 2 tektonische Platten - die amerikanische und die eurasische - aufeinanderstoßen und einen Grabenbruch bilden. Zum anderen befand sich hier eine Art "Wikingerparlament". Bereits um 930 trafen sich hier einmal jährlich die Island bewohnenden Wikinger zu einer Versammlung, die sowohl zur Gesetzgebung als auch als Gericht diente. In seiner Art zählt dieses "Parlament" nicht nur zu den ältesten der Welt, es bestand auch außerordentlich lang - und zwar bis 1798. An diesem Ort wurde passenderweise 1944 die Republik Island ausgerufen.
Der Grabenbruch und die Zeugen des dort vorkommenden Vulkanismus sind sehr beeindruckend. Von den Wanderwegen aus sieht man erkaltetes Lavagestein, das aussieht als wäre es gerade erst erstarrt und teils führt der Weg an den imposanten Rändern des amerikanischen Abbruchs entlang. Der mittelatlantische Rücken selbst ist hier bereits ziemlich breit und driftet jedes Jahr weitere 2 Zentimeter auseinander. Schön ist auch, dass die Felsmassen mit Vegetation überwuchert sind, die teilweise gar nicht so niedrig ist. Von wegen in Island gäbe es keine Bäume.
